Alpstein-Runde: Die Schweiz wie aus dem Bilderbuch (03.07.-05.07.2020)

Alpsteinrunde – Die Schweiz wie aus dem Bilderbuch
vom 3. bis 5. Juli 2020
Verfasser: Achim Teufel und Hans-Georg Kerler  -  Fotos: Teilnehmer
Corona zum Trotz wächst mit der Aussicht, dass es zumindest am Samstag und Sonntag schön wird, die Vorfreude auf unser Wander-Wochenende auf anspruchsvollen alpinen Routen. Dank der guten Wegbeschreibung von Gisela, unserer Tourenleiterin von der BG Leonberg, erreichen wir alle nahezu gleichzeitig den unterwegs neu bestimmten Treffpunkt oberhalb von Urnäsch.
Wegen des angekündigten wolkig-nebligen Wetters unternehmen wir von hier nur eine kleine Eingehtour auf den Hochalp (1530 m), einen sanft gerundeten Nagelfluhberg vor dem nahen Alpsteinmassiv mit dem Säntis, von dem wir leider nur die unteren Felspartien sehen. Stattdessen erfreuen uns die saftig grünen Weiden, auf denen sich fressendes und pubertierendes Vieh tummelt. Erstaunt sind wir über die Vielfalt von Blumen, u.a. Flockenblume, Geflecktes Knabenkraut, Kugelige Teufelskralle, Feuerlilie und Türkenbund, bei uns selten und hier in beträchtlicher Menge. Anschließend besuchen wir – inzwischen bei Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen – das pittoreske und direktdemokratische Appenzell mit seinen bemalten Gebäuden mit ausgefallenen Wandbildern und dem von bunten Häusern eingerahmten Landsgemeindeplatz, der einmal im Jahr für Volksabstimmungen genutzt wird - heute auch mit Frauen.
Nach Kaffee und Kuchen fahren wir weiter nach Wasserauen. Zur Vereinfachung der Rückfahrt am Sonntag stellen wir zuerst noch eines der Autos in Brülisau ab und nehmen erst dann von Wasserauen die Seilbahn hoch zur Ebenalp und zu unserem heutigen Übernachtungsquartier. Nach dem Bezug unserer Zimmerlager bleibt noch genügend Zeit für einen Abstecher hinunter zum Wirtshaus Äscher und der Felsenkapelle Wildkirchli, beide spektakulär an eine 100 Meter hohe Felswand gebaut und sehr beliebte und bekannte Fotomotive. Im Hintergrund grüßt der massige Altmann und tief unten im Tal der dunkelblaue Seealpsee, eine berühmte Schweizer Alpenidylle, umrahmt von Wald und Weiden. Entsprechend fotografieren auch wir fleißig. Der Weg führt durch eine Höhle, wo Stirnlampen und die Taschenlampen der Smartphones hilfreich sind.
Das Berggasthaus Ebenalp (1644 m) liegt auf einem herrlichen Aussichtsbalkon. So genießen wir während des Abendessens die schöne Aussicht auf den Bodensee und im Osten auf Vorarlberg. Den Sonnenuntergang über dem im Dunst versinkenden Appenzeller Berg- und Hügelland erleben wir als ein beeindruckendes Naturschauspiel und mit einer ganz besonderen Stimmung.
Am nächsten Morgen starten wir bei passablem Wetter zur ersten Etappe unserer Alpsteinrunde über den Säntis und den Lisengrat bis zur Rotsteinpasshütte, unserem zweiten Übernachtungsquartier. Zunächst führt der Weg gemächlich ansteigend und schließlich über einen steilen Rücken hinauf zum eigentlich aussichtsreichen Berggasthaus Schäfler (1925 m). Den Blick auf die Bergzüge des Alpstein geben die Wolken heute leider nur vereinzelt frei. Interessant ist das Spiel der Wolken allemal. Nordseitig genießen wir einen herrlichen Ausblick auf den Kanton Appenzell mit seinen sanften Hügeln, die saftig grünen Wiesen und die unzähligen über die Landschaft verstreuten Gehöfte und hier gilt: Die Schweiz wie aus dem Bilderbuch.
Es folgt der erste luftige und gut versicherte Abschnitt hinab zu einer ausgesetzten Querung unter den Felstürmen der Läden. Weiter gehts zum Altenalpsattel, wo eine weitere Querung folgt, diesmal unter den imposanten Altenalptürmen. Auf der Höhe gehen wir bis zum Lötzalpsattel, wandern ab hier auf der Nordseite der Krete und legen in der abgeschiedenen vorderen Öhrligrueb vor imposanter Felskulisse eine Rast ein. Nach einer weiteren Querung vorbei am steil aufragenden Öhrlikopf, der in leichter Kletterei bestiegen werden kann, wechseln wir vom Höch-Niederi-Sattel in den südseitigen Hinteren Öhrligrueb und gehen zunächst noch über Karst.
Wegen der großen Schneefälle überraschen uns bald riesengroße Schneefelder, viel größer als der vermutete Rest des Blauschneegletschers, über den wir jetzt weitergehen müssen. Nach der Querung in einer teils steilen Schneeflanke – rechts über uns der Höchnideri -  steigen wir schließlich auf zu den steilen Felsen, wo die Route – beidseitig mit zwei soliden Stahlseilen versichert – hoch führt zum Sattel zwischen der Girenspitz und dem Säntis. Hier müssen wir uns immer wieder mit den Entgegenkommenden arrangieren. Zum Abschluss der ersten heutigen Teiletappe geht es – weiterhin mit viel Betrieb in beiden Richtungen - die besonders steile und genauso vorbildlich versicherte und mit Eisenstufen versehene Himmelsleiter hinauf zum überbauten Säntis (2502 m).
Hier oben ist ganz schön viel geboten: Wenn der höchste Gipfel des Alpstein nicht in Wolken gehüllt ist, sollen von hier sechs Staaten zu sehen sein. Umgekehrt beeindruckt das gesamte Alpsteinmassiv insbesondere vom Bodensee aus. Weithin sichtbar erhebt sich auf dem Säntisgipfel eine 110 m hohe Sendeanlage, zudem schon seit 1882 eine Wetterstation, die Bergstation der Säntis-Schwebebahn, ein Panoramarestaurant und Banketträume und etwas unterhalb das Berggasthaus "Alter Säntis", wo im Sommer übernachtet werden kann. Umgeben von zahlreichen Seilbahntouristen nehmen wir uns Zeit fürs Umschauen und für eine Kaffeepause. Zwar reißen die Wolken immer wieder auf, doch der Blick auf den Bodensee bleibt uns leider verwehrt.  
Schließlich geht es in einigen Aufs und Abs weiter über den immer wieder ausgesetzten und ebenfalls bestens versicherten Lisengrat bis zu unserem zweiten Übernachtungsquartier, der Rotsteinpasshütte (2120 m), und auch hier oben sind zwei größere Schneefelder zu queren. Zum Schluss führt der Weg steil hinunter zu unserem Tagesziel. Gegen Ende unserer neunstündigen Tagesetappe einschließlich Pausen zeigen sich bei einigen in der Gruppe gewisse Ermüdungserscheinungen und wir sind alle froh, als wir das heutige Quartier erreichen.
Nach dem leckeren Abendessen entdeckt plötzlich einer von uns beim Blick durch das Fenster im Abendsonnenschein etwa 30 zumeist junge Steinböcke ganz nah bei der Hütte am Fuße einer Felswand, der Nordflanke des Altmann. Offensichtlich sind diese Tiere durch eine Salzlecke angelockt und an die vielen Menschen gewöhnt. Ausgestattet mit prächtigen Hörnern bieten sie ihren zweibeinigen Bewunderern sowohl kleine Kämpfe als auch ein beeindruckendes Verfolgungsrennen im benachbarten steilen Schneefeld und jede Menge Fotomotive. Im gut belegten Matratzenlager finden wir später die verdiente Nachtruhe.
Am nächsten Morgen müssen Gisela, Sabine und Frank die Tour aus gesundheitlichen Gründen leider vorzeitig beenden. Diana war schon am Tag zuvor am Säntisgipfel wegen kaputtem Schuhwerk ausgestiegen und nach Hause gefahren. Die anderen Teilnehmer, quasi die Sieben Schwaben, beschließen, die weitere Tour bis zum Hohen Kasten auf eigene Verantwortung fortzusetzen. Heute herrscht endlich Kaiserwetter und die Chance auf eine aussichtsreiche Tagesetappe über die Grate und Rücken des südlichsten Alpstein-Kamms ist groß. Von der Rotsteinpass-Hütte hinauf durch die abweisend wirkende, aber gut zu gehende Filswand bis zum Sattel des Altmann (2325 m), den wir halb umrunden, steht zunächst noch einmal ein Test in Sachen Fitness und Schwindelfreiheit an. Vom Sattel sehen wir die Churfirsten und die lange Kette der Glarner Alpen mit dem mächtigen Tödi. Weiter geht es hinunter zum Zwinglipass, hinauf zum Mutschenpass (2121 m) und vorbei an den spektakulären, senkrecht aufragenden, bleichen Kalksteinzinnen der Kreuzberge, ein bekanntes Klettereldorado und ein weiteres beliebtes Fotomotiv.
Nach einer Vesperpause bei der Roslenalphütte nehmen wir den letzten Abschnitt der Wanderung in Angriff. Wir genießen herrlich blühende Wiesen und grandiose Ausblicke von der Saxer Lücke und dem Gasthaus Stauberen (1860 m). Von hier aus sehen wir das Alpenrheintal hoch bis zum Alpenhauptkamm und auf die vergletscherte Berninagruppe mit dem östlichsten Viertausender der Alpen - eine Fernsicht von über 100 km!
Auch heute sind wir wieder im ständigen Auf und Ab unterwegs. Nach 15 km und einem letzten, etwas mühsamen Gegenanstieg am späten Nachmittag kommen wir auf dem Hohen Kasten (1794 m) an. Wie zuvor schon am Stauberen öffnet sich auch hier - über dem Rheintal unter uns - der Blick nach Osten auf Rätikon, Montafon, Verwall, den Bregenzer Wald und den Bodensee. Besonders schön liegt im Westen der Alpstein im Gegenlicht vor uns. Vom Säntis herab teilt er sich in vier oft scharf gezackte Kämme auf, entlang deren nördlichen und südlichen unsere Route hufeisenförmig verlief. In den Tälern dazwischen sind drei romantische Seen eingebettet. Traumhaft!
Wir beenden die außergewöhnliche Tour mit einem wohlverdienten, herrlich kühlen Appenzeller „Quöllfrisch“- Bier. Unsere Erwartungen sind weit übertroffen.
Nach der Fahrt mit der Seilbahn hinunter nach Brülisau treffen wir uns dann für die Heimfahrt in Wasserauen mit den drei Aussteigern, die schon länger auf uns gewartet haben. Zwei hatten sich für den wunderschönen und langen Abstieg direkt nach Wasserauen entschieden und Gisela nahm nach den Weg zurück über den Lisengrat zum Säntis - heute nahezu wolkenfrei und mit großartiger Rundumsicht in die Schweizer Bergwelt - die Seilbahn hinunter zur Schwägalp und von hier den Bus und das Bähnli zurück nach Wasserauen.
Während der rund dreistündigen Heimfahrt können zumindest diejenigen, die nicht am Steuer sitzen, die schönen Eindrücke während unserer zweitägigen Königstour im Alpstein nachwirken lassen. Unser Dank geht an Gisela für die gelungene Organisation und das Vertrauen, auch einen Tourentag in eigener Verantwortung gehen zu dürfen.

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