Auf der Himmelsleiter über dem Brienzer See (30.06.-03.07.2023)
Auf der Himmelsleiter hinauf zum Brienzer Rothorn
vier Tage unterwegs mit der BG Leonberg
Text: Gisela Metzler
Fotos: Gisela und Teilnehmer
Die Vorfreude auf die Tour im Berner Oberland im Banne des Dreigestirns Eiger, Mönch und Jungfrau vom 30. Juni bis 3. Juli vermischt sich im Vorfeld mit einige Fragen. Ist die geplante dritte, sehr ausgesetzte und ewig lange Etappe ab dem Brienzer Rothorn bis Harder Kulm auf einem sehr schmalen Grat hoch über dem Brienzer See für unsere 10-köpfige Gruppe vertretbar? Und was ist im Hinblick auf die Wetterprognose überhaupt möglich während unserer vier Tourentage, wenn es auf diesem Grat absolut trockene Verhältnisse braucht?
Freitag – nasse Anreise
Meine vielen Recherchen über mögliche Touren am Anreise- und Heimreisetag erfolgten zwar erstmal umsonst, doch der angekündigte Niederschlag hält uns nicht davon ab, über Zürich und vorbei am Vierwaldstädter See bis zum Brünig-Pass zu fahren. Zwei der Fahrgemeinschaften früher, um kurz vor dem Ziel während einer Regenlücke schon eine erste kleine Tour zu unternehmen oder sich in Luzern umzuschauen. Die dritte Fahrgemeinschaft startet erst später und trifft rechtzeitig vor dem leckeren veganen Bio-Abendessen im urgemütlichen Naturfreundehaus Brünig ein. Die junge Wirtin ist – passend zu den Mails im Vorfeld - extrem nett. Dass die schmale und steile Zufahrt ab der Passstraße einigen Mut und gute Nerven erfordert, hat sie vielleicht wohlweislich für sich behalten.
Samstag – jede Menge wunderschöne Tiefblicke
Gut, dass der Regen in der Nacht aufhörte, denn heute steigen wir - gemäß dem Titel der Tour - über die Himmelsleiter auf zum Brienzer Rothorn. Gut gestärkt starten wir nach dem Frühstück direkt vom Haus. Vor uns liegen stolze 1740 Höhenmeter, 500 Abstiegsmeter und ca. 13 km Wegstrecke. Je höher wir steigen, desto mehr lichtet sich erfreulicherweise der Nebel. Zunächst wandern wir im Wald und bald schon sehr schweißtreibend eine steile Almwiese hoch. Schließlich geht’s ums Eck und von einem Bergrücken öffnet sich im Norden ein wunderschöner Blick auf den Lungerer See und den Sarner See. Noch weiter nördlich lässt sich sogar der südliche Zipfel des Vierwaldstätter Sees erahnen. Dieser Aussichtsplatz drängt sich geradezu auf für eine ausgiebige Rast. Im weiteren Aufstieg, schließlich auf einem Grat, gehts vollends hinauf zum Wilerhorn. Die ersten 1000 Höhenmeter sind geschafft, und zur Belohnung zeigt sich tief unter uns inzwischen auch der türkisfarbene Brienzer See. Nach dem ersten Gipfel geht es im ständigen Auf und Ab weiter, mal mehr, mal weniger ausgesetzt. Leider will sich die Wolkendecke ab einer Höhe um die 2000 m nicht auflösen und den Blick auf unser heutiges Ziel partout nicht freigeben. So erfreuen wir uns umso mehr an den immer wieder neuen Tiefblicken. Am Gibel, einer Wegkreuzung, teilen wir uns auf. Die einen nehmen trotz des Wolkenvorhangs als zusätzlichen Gipfel noch die Höch Gumme mit und die anderen gehen – abgesehen von einer ganz kurzen, ausgesetzten Stelle - ganz gemütlich und relativ flach weiter, bis beide Pfade wieder zusammen kommen. Inzwischen sind wir im Nebel unterwegs, doch das kann unserer guten Stimmung nichts anhaben. In Serpentinen schrauben wir uns schließlich immer noch höher und nach den vielen Stunden auf den Beinen jeder in seinem Tempo. Nach und nach erreichen am späten Nachmittags alle froh und erleichtert unser heutiges Gipfelziel, das Brienzer Rothorn. Die bei der Tourenplanung erhoffte Sicht auf die Berner Gletscherriesen bleibt uns zwar leider verwehrt, doch zumindest von der näheren Umgebung können wir in einer Wolkenlücke einen Moment lang ein bisschen was sehen.
Als wir im Berghaus Rothorn unterhalb des Gipfels einchecken, erklärt uns die Dame am Empfang ungefragt und sehr eindringlich, dass wir am nächsten Tag keinesfalls auf dem Grat weitergehen können. Der Ranger, der dort regelmäßig unterwegs ist, hat wohl viel zu schlechte Bedingungen ausgemacht. Somit entfallen auch die beiden angedachten Varianten, statt der ursprünglich geplanten extrem langen Etappe bis Harder Kulm oder – etwas kürzer - bis zur nordseitigen Lombach-Alpe wenigstens bis zum ersten oder zweiten Abstieg auf dem Grat weiterzugehen und dann erst die ca. 1800 m abzusteigen bis zum See und zum umgebuchten Quartier.
Sonntag – ultimativer Knietest und reichlich Dampf
Anstatt in der modernen Jugendherberge in Interlaken übernachten wir aufgrund der Umplanung heute in der kleinen und wunderschön gelegenen Juhe am Ortsrand von Brienz direkt am See, in der ich kurzfristig noch 10 Plätze ergattern konnte. So sparen wir uns die Bahnfahrt nach Interlaken und wieder zurück.
Leider bleibt hier oben auch heute der Wolkenvorhang dicht und es gibt nur eine klitzekleine Ahnung von dem gigantischen Blick auf die Berner Eisriesen, als sich in der Wolkendecke mal kurz eine horizontale Lücke auftut. So machen wir uns nach dem reichhaltigen Frühstück im hochpreisigen Berghaus leider unverrichteter Dinge an den extrem langen Abstieg. Spannend ist in dieser Nebelwelt, von den Dampfloks zu hören, und als wir schließlich unter dem Nebel auftauchen, auch zu sehen, wie sie im engen Rhythmus den Berg hoch- und runterkriechen und in einem Tunnel verschwinden, um bald darauf wieder aufzutauchen. Von diesem netten Treiben, das an eine Modelleisenbahn erinnert, entsteht so manches Video. Unter der Nebeldecke sehen wir immer mehr von der Umgebung und erreichen auf etwa halber Höhe schließlich die Mittelstation der einzigen Dampflokbahn der Schweiz, die sonntags besonders viele Touristen bequem nach oben bringt.
Wir legen hier ein ausführliches Picknick ein und beobachten den Betrieb der Bahnen und wie die Lokführer oder Zugbegleiter in der Nachfüllstation für die Weiterfahrt den Wassertank der Loks befüllen.
Vor einem Jahr hatten wir vom Berggasthaus Rothorn morgens beim Aufstehen ein paar Minuten lang den freien Blick auf das Dreigestirn mit all seinen Nachbarn und später mit der Fahrt in diesem Bähnli hinunter nach Brienz viel Spaß und nach der Mittelstation auch wunderschöne Ausblicke auf den Brienzer See. Diesmal erleben wir im weiteren Abstieg dank der Sonne unterhalb der Nebeldecke ebenfalls solch schöne Aussichten und daneben auch den ultimativen Knietest. Nach 1800 Höhenmetern sind wir alle froh, als wir endlich das Seeufer erreichen. Wir kehren erst mal am Strandbad ein, bevor wir die letzten Meter zum dritten Quartier gehen. Dort machen wir es uns vor dem Abendessen auf der Terrasse oder noch mal vorne am See gemütlich, und den lauen Sommerabend nach dem Essen lassen wir ebenfalls auf der Terrasse ausklingen.
Montag – Panoramatour und Sonnenschein
Heute bewährt sich doch, dass ich zuhause eine ganze Liste an möglichen kleineren Touren zusammengestellt hatte. Wir entscheiden uns für eine kleine Panoramatour vom Brünigpass Richtung Osten nach Hasliberg.
Statt einer Bahn- oder Busfahrt für alle holen die Fahrer die Autos und so kommen wir nach dem Frühstück zügig zurück zum Brünigpass. Von dort wandern wir ganz gemütlich nach Hasliberg und durch die Siedlung mit seinen netten und locker verstreuten Häusern bis zur Talstation der Seilbahn hoch nach Käserstatt. Auch heute werden wir wieder von der Sonne verwöhnt und wer mag, genießt die interessanten Aussichten hinüber zum Wetterhorn und zum Rosenlaui mit imposanten Gletschern. Immerhin. Zurück am Brünigpass stärken wir uns noch und machen uns dann auf die Heimreise.
Die Aussicht auf großartige Ausblicke von der Himmelsleiter hinüber zu den Berner Alpen hat uns Petrus zwar leider nicht erfüllt, doch wir hatten vier Tage lang Tapetenwechsel in einer netten Gruppe und konnten trotzdem jede Menge schöne Landschaftseindrücke sammeln und mit nachhause nehmen.