Gletscher- und Viertausenderschau. Pässetour durchs Wallis (31.08.-06.09.2022)
Wander-Haute Route vom Val de Bagnes bis Zinal – Pässetour im Wallis im Spätsommer 2023
In Anlehnung an die Ski-Haute Route verläuft auch die Wander-Haute Route vom Mont Blanc-Massiv bis Zermatt, allerdings eine Etage tiefer und weitestgehend gletscherfrei, doch auch mit jeder Menge Gletscher- und Viertausenderschau.
Die niedrigste Hütte liegt auf 2207 m und die höchste auf knapp 3000 m und der höchste Pass auf gut 3100 m.
Tag 1 - Zu zwölft fahren wir Ende August früh morgens in drei Fahrgemeinschaften vorbei am Genfer See nach Sierre im Rhônetal. Von dort bringt uns ein Shuttlebus – vorbei an Martigny und Verbier – nach Fionnay im Val de Bagnes. Nach einem zweieinhalbstündigen steilen und schweißtreibenden Aufstieg erreichen wir die idyllisch gelegene Cabane de Louvie am gleichnamigen See. Erfreulicherweise beginnt der Grand Combin, den wir im letzten Sommer halb umrundet haben, während unserer Vorstellungsrunde auf der Hüttenterrasse, sich seines Wolkenkleides zu entledigen.
Tag 2 – Nach dem obligatorischen morgendlichen Gruppenfoto starten wir zu unserer ersten ganzen Tagesetappe, bei der wir über zwei Pässe kommen. Bis zum Col du Louvie ist uns der Grand Combin dank des herrlichen Wetters ein ständiger Begleiter und kurz zeigt sich im Westen auch der Mont Blanc. Nach einer spannenden Durchquerung des wasserreichen Beckens unterhalb der mittlerweile nahezu gletscherfreien Grand Désert erreichen wir schließlich den zweiten heutigen Pass, den Col de Prafleuri, von dem sich der Blick öffnet bis zum Mont Blanc de Cheilon mit dem gleichnamigen Gletscher, an dessen Fuß wir übermorgen übernachten. Jetzt geht es aber erst mal sehr steil hinab in das einstige Gletscherbecken, in dem in den 1950ern das Baumaterial für die Staumauer des Lac des Dix abgetragen wurde, und bis zum heutigen Quartier, der Cabane de Prafleuri. Während des Abendessens können wir durchs Fenster junge Steinböcke beobachten, die sich von dem Salzblock vor der Hütte locken lassen.
Tag 3 – Vorbei an einem hübschen Kunstwerk aus Stein geht es heute zunächst auf den Col de Roux. Dort oben zeigt sich ein großer Teil des Lac des Dix, dem größten Stausee im Wallis, an dem wir nach dem Abstieg gemütlich entlangwandern. Am Ende des Sees steigen wir steil hinauf zum Pas du Chat. Von einer hohen Moräne aus sehen wir hinüber zu den beiden möglichen morgigen Übergängen im Osten. Vom nächsten Pass aus zeigen sich die gesamte imposante Nordflanke des Mont Blanc de Cheilon und der gleichnamige Gletscher aus nächster Nähe, und auf einem kleinen Hügel mitten in einer großen Mulde die Cabane des Dix, unser heutiges Quartier, wo sich die Hartgesottenen unter uns zum Duschen im Freien locken lassen.
Tag 4 – Heute wird es spannend, denn es gilt, einen alpinen Übergang zu meistern. Aufgrund der klimabedingten Veränderungen führt uns die neu angelegte Route im großen Bogen nördlich hinüber zum ausgesetzten und mit einigen Leitern und Podesten entschärften Pas de Chèvres. Oben angekommen, muss erst mal ein Stiefel notdürftig versorgt werden, weil sich die Sohle abgelöst hat – für die anderen willkommene Gelegenheit, vor dem Weitergehen zu Chillen. Beim langen und unschwierigen Abstieg hinunter nach Arolla kommen wir vorbei unter der Nordflanke des Pigne d’Arolla, einem Aussichtsberg der Extraklasse, wobei dessen Überschreitung bei unwirtlichen Verhältnisse schnell sehr herausfordernd und gefährlich werden kann.
Das kleine Bergsteigerdorf Arolla, normalerweise eher verschlafen, ist heute dank eines Berglaufs völlig überlaufen, bietet aber Gelegenheit, in einem Sportgeschäft den defekten Bergstiefel zu ersetzen. Statt einzukehren, begnügen wir uns mit einem Eis zum Mitnehmen. An der verlegten Bushaltestelle teilen wir uns auf in die Busfahrer und die Läufer, die die weiteren 600 Abstiegsmeter und 8 km bis zu unserem Hotelquartier in Les Haudères im Val d’Hérens im Eiltempo zurücklegen.
Tag 5 – Weil die zuständige Hotelmitarbeiterin verschläft, fällt das wegen der heutigen sehr langen Etappe eigentlich vorverlegte Frühstück leider aus. Gut, dass wir uns in der Bäckerei gegenüber notversorgen können, bevor wir uns von dem organisierten Shuttlebus die ersten 300 Höhenmeter bis La Forclaz abnehmen lassen. Ab heute weicht unsere Tour ab von den Etappen im Rother-Wanderführer. Bei herrlichem Wetter steigen wir, zunächst durch lichten Lärchenwald und über Weiden zuletzt wieder durch schuttiges Gelände hinauf zum Col de Tsaté. Im Abstieg hinunter ins Moiry-Tal zeigt sich bald die nächste Hütte, die neben dem beeindruckenden Gletscherbruch des Glacier Moiry thront. Nach einer Pause bei einem Gletschersee oberhalb des Moiry-Stausees nehmen wir gestärkt den zweiten Aufstieg des Tages hinauf zur gleichnamigen Hütte in Angriff. Das Tagesziel erreichen wir früher als gedacht, und das Radler auf der Hüttenterrasse mit grandioser Aussicht schmeckt heute ganz besonders gut. Das gilt auch für das Abendessen in der dank modernem Anbau sehr komfortablen Hütte.
Tag 6 – Heute steht nach dem Aufstieg zum letzten Pass wieder eine alpine Passage auf dem Programm. Den Col du Pigne erreichen wir – schattseitig und bei frischen Temperaturen - über ruppiges Gelände. Vom Pass aus genießen wir in der Sonne kurz den Blick zurück auf den Moiry-Gletscher und ostseitig hinüber zum Weisshorn, das sich heute in seiner ganzen Mächtigkeit zeigt. Dann machen wir uns zügig an den zunächst sehr steilen und teils ketten- und später stahlseilversicherten Abstieg hinunter ins Zinaltal. Auch hier wurde eine neue Route angelegt, über die wir - im weiten Bogen und wesentlich einfacher als vor vier Jahren – schließlich die Cabane Petit Mountet erreichen, wo wir uns trotz des noch bevorstehenden Anstiegs zur letzten Hütte eine Einkehr gönnen. Frisch gestärkt geht es zuerst vollends hinunter zur Navisence, von wo sich der Blick ins hinterste Zinaltal und ins ‚Karakorum der Schweiz‘ öffnet. Neben Weisshorn und zweihöckrigem Besso zeigen sich mehr und mehr auch der Grand Cornier, die Pointe Zinal im südlichen Talschluss und schließlich auch die Dent Blanche, die wir beim Aufstieg zum Col de Tsaté auch von der anderen Seite schon gesehen hatten.
Je höher wir jenseits der Navisence steigen, desto eindrucksvoller präsentiert sich uns die Gletscherwelt zwischen dem Weisshorn und dem Besso einschließlich der Eiswand hoch bis zur Schulter des Zinalrothorn. Auch heute erreichen wir das Tagesziel schneller als gedacht, und alle werden begrüßt vom Applaus des extrem netten Herren-Duos, das in dieser Woche auf ehrenamtlicher Basis die Hütte bewirtschaftet. Die heutige letzte Après-Runde auf der Terrasse der Cabane d’Arpittetaz vor großartiger Kulisse gehört – vielleicht wegen der zurückliegenden wunderschönen Wanderwoche - zu den ausgelassensten, und nach dem ersten Spaghetti-Essen der Woche mit leckerster Tomaten-Gemüse-Sauce und Parmesan entwickelt sich auch der weitere Abend im schnuckeligen Gastraum ganz besonders gesellig.
Tag 7 – Nach einer grandiosen Morgenstimmung und einem leckeren Frühstück machen wir uns an den letzten Abstieg – heute hinunter nach Zinal, von wo wir die Heimreise antreten. Die einen nehmen die etwas kürzere und stahlseilversicherte Variante über den Jägersteig und die anderen gehen den gleichen Weg hinunter wie am Vortag, jetzt allerdings mit Blick auf Dent Blanche, Grand Cornier und auf unseren steilen Übergang am Vortag samt benachbartem Pigne de la Lé.
Auf dem Campingplatz in Zinal kehren wir zum Abschluss noch mal ein und nehmen dann den Postbus durchs Val d’Anniviers hinunter nach Sierre, wo unsere Autos auf uns warten. Während der Heimfahrt ist schon mal Zeit, das Erlebte und die vielen Eindrücke von der Gletscher- und Viertausenderwelt des Wallis zwischen dem Val de Bagnes und Zinal zu sortieren und nachwirken zu lassen.